Ich wohnte nie im Schwabenland, aber als ich "auf Montage" ging mit der Tiefbaufirma Sager & Woerner, waren meine zwei Vorgesetzten die Herren Dietl und Spoerl. Beide waren Schwaben und beide sangen manchmal die schwäbische Nationalhymne "Schaffe, schaffe, Häusle baue, und ned nach de Mädle schaue."
(Ich war damals nur 18 Jahre alt und dennoch nannten sie mich schon "Herr Görmann" und ich nannte sie "Herr Dietl" und "Herr Spoerl". Ihre Vornamen habe ich nie gewusst. So war das damalige Deutschland.)
Ich brauchte keine Mathilde um mich zum Sparen anzutreiben. Nach den hungrigen Nachkriegsjahren wo Geld immer knapp war, wollte ich nur sparen und sparen und dann noch ein bißchen mehr sparen, um im Alter genug zu haben. Jetzt habe ich mehr als genug und da lese ich dies:
Ich habe jahrzehntelang fürs Altenheim gespart ... bis mir klar wurde: Ich will nicht auf das Ende warten – ich will leben...
Ich war mein ganzes Leben lang ein vorsichtiger Mensch. Ich habe gearbeitet, gespart, jede Ausgabe abgewogen. Freunde kauften sich Autos, fuhren in den Urlaub - ich dagegen dachte an später. An den Tag, an dem ich nicht mehr arbeiten wollen oder vielleicht auch nicht mehr können würde. Ich sagte mir: "Das Alter ist eine ernste Sache, darauf muss man vorbereitet sein." Und so habe ich leise und unbeirrt für meinen Platz im Seniorenheim gespart. Jahre vergingen. Und plötzlich war ich genau das, wovor ich mich immer gefürchtet hatte: Ein älterer Mann mit einem ordentlichen Sparbuch und einer leeren Wohnung. Da wurde mir klar - ich habe Angst. Nicht vor dem Altwerden, sondern vor dem Gedanken, meine letzten Tage zwischen vier Wänden zu verbringen, umgeben von Menschen, die Tag für Tag älter werden und langsam aus dieser Welt verschwinden. Ich will nicht auf das Ende warten in einem Flur, der nach Medikamenten riecht und in dem die Stille schwer in der Luft hängt. Also habe ich mein Sparbuch geschlossen, tief durchgeatmet - und ein Ticket gekauft. Aber zuerst: einen Hund. Klein, flauschig, lustig - und in der Lage, mich wieder zum Lachen zu bringen. Wir sitzen zusammen in Straßencafés, fahren mit dem Zug, spazieren durch fremde Städte. Er ist immer an meiner Seite, und ich bin nicht mehr allein. Jetzt gebe ich mein "Heim-Geld" nicht für ein Zimmer im Seniorenheim aus, sondern für das Leben - ein echtes, warmes, köstliches Leben mit dem Duft von frischem Gebäck am Morgen und dem Knistern des Sandstrands unter den Füßen. Ich weiß nicht, wie viel Zeit mir noch bleibt, aber eines weiß ich sicher: Ich spare nicht mehr. Ich lebe ... |
Auch ich habe jahrzehntelang gespart, nicht unbedingt fürs Altenheim aber fürs Altwerden. Mein ganzes Leben lang war ich ein vorsichtiger Mensch gewesen. Ich hatte gearbeitet, gespart, jede Ausgabe zehnmal abgewogen. Freunde kauften sich Autos, fuhren in den Urlaub - ich dagegen dachte an später. Meine Urlaube waren die paar Tage zwischen Versetzungen von Land zu Land und Arbeit zu Arbeit, meine Autos waren Firmenautos, und ich sparte immer noch, selbst wenn ich mir schon das erste und auch noch nachdem ich mir das zweite Huas gekauft hatte.
Falls wir uns noch einmal begegnen könnten, würden die Herren Dietl und Spoerl stolz auf mich sein, und würden zusammen mit mir singen:
Schaffe, schaffe Häusle baue
Wenn ein Mann mal richtig Durst hat
Jeder Mann dreht sich auch gerne
Schaffe, schaffe, Häusle baue
Schaffe, schaffe, Häusle baue
And're Männer gehen angeln
Schaffe, schaffe, Häusle baue
Schaffe, schaffe, Häusle baue
Ja, schaffe, schaffe, Häusle baue
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Das Einzige was mir jetzt nur noch fehlt sind 'ne Ziege und 'ne Kuh --- und der Mut mit dem Sparen aufzuhören!